Es gibt ein deutsches Unternehmen, dessen Aktienkurs derzeit stetig ansteigt. Allein dieses Jahr hat der Kurs von SAP schon 60 % zugelegt. Im DAX, dem Aktienindex der größten deutschen Aktiengesellschaften, ist SAP das mit Abstand stärkste Mitglied. Der Kurs unseres wichtigsten deutschen Aktienindex lässt sich von dieser einen Firma nach oben ziehen. Pech für ihn, denn bald könnte SAP den DAX verlassen.
Ein bekanntes Beispiel hat schon gezeigt, dass der DAX deutsche Firmen in ihrem Kurswachstum beschneidet. Vor zwei Jahren hat Linde freiwillig den deutschen Aktienindex verlassen, und tatsächlich ist der Kurs von Linde seitdem kontinuierlich gestiegen. Ist es also das Schicksal des DAX, seine erfolgreichen Mitglieder ziehen lassen zu müssen?
Ich werfe in diesem Beitrag einen Blick auf die Zusammensetzung des DAX. Wie werden Firmen darin Mitglied, welche Regeln gelten und wie kann man ihn wieder verlassen? Welchen Grund hatte Linde für den Rückzug, und gilt dieser Grund auch für SAP? Welche Auswirkungen haben Änderungen an der Zusammensetzung des deutschen Aktienindex auf die ETF, die auf dem großen deutschen Aktienindex aufbauen?
Linde, SAP und ihr Verhältnis zum DAX. Das erwartet dich:
Die graue Theorie über die Zusammensetzung des DAX …
Der DAX ist ein Aktienindex. Er enthält die 40 größten und liquidesten deutschen Aktiengesellschaften. Aus den Aktienkursen dieser Firmen wird ständig ein zusammengefasster Kurs berechnet.
Die Grundvoraussetzungen für die Aufnahme in den deutschen Aktienindex
Um in den größten deutschen Aktienindex aufgenommen zu werden, muss eine Aktiengesellschaft die strengen Transparenzanforderungen des Regulierten Markts der Frankfurter Börse erfüllen, zusätzlich fortlaufend im elektronischen Handelsplatz Xetra gehandelt werden und über einen Unternehmenssitz in Deutschland verfügen oder zumindest seine wesentlichen Geschäftstätigkeiten in Deutschland ausüben.
Das Hauptkriterium zur Aufnahme in den DAX
Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, werden weitere Kriterien geprüft: das Unternehmen muss in den letzten beiden Jahren rentabel gewirtschaftet haben und gemessen an der Marktkapitalisierung zu den 40 größten deutschen Firmen gehören.
Diese Marktkapitalisierung berechnet sich aus der Anzahl der frei handelbaren Aktien (der Streubesitz) multipliziert mit dem aktuellen Aktienkurs. Sobald ein Unternehmen bei der vierteljährlichen Überprüfung mindestens den 40. Platz in diesem Kriterium erreicht, wird es aufgenommen und ersetzt damit einen bisherigen Indexteilnehmer.
Die Indexgewichtung im bedeutendsten deutschen Aktienindex
Von der Höhe der Marktkapitalisierung hängt auch das Gewicht jedes einzelnen Unternehmens im DAX ab. Kein einzelnes Unternehmen darf mehr als 15 % (bis März 2024: 10 %) Gewicht haben. Dies ist ebenso eine Besonderheit des DAX gegenüber großen amerikanischen Indizes, wie es auch die Berechnung als Performanceindex ist. Denn im DAX werden die Dividenden der Indexteilnehmer rechnerisch reinvestiert, während viele andere Indizes ohne Ausschüttungen (als sogenannte Kursindexe) berechnet werden.
… und die Praxis beim Austritt des Unternehmens Linde in 2022
Wie nun kann ein Unternehmen aktiv entscheiden, aus dem deutschen Aktienindex auszutreten? Und warum eigentlich will es dies tun?
Der Nachteil des Unternehmenserfolgs von Linde
Linde plc war mit Abstand das größte Unternehmen im DAX. Es war erfolgreicher als die anderen DAX-Mitglieder, sodass die Marktkapitalisierung schneller stieg als die der Indexkollegen. Der Anteil von Linde im DAX musste gemäß der Regeln regelmäßig zurück auf 10 % gekappt werden. ETF auf den DAX waren also immer wieder gezwungen Linde-Aktien zu verkaufen. Dies drückte den Preis der Linde-Aktie.
Linde träumt vom höheren Aktienkurs
Die Aktie der Linde plc war bereits vorher in Frankfurt und in New York gelistet. Das Unternehmen hatte entschieden, das Listing in Frankfurt aufzugeben und in Zukunft nur noch am Börsenplatz New York gelistet zu sein. Linde hoffte auf höhere Kurse, weil amerikanische Aktien meist höher gehandelt werden als deutsche und zudem keine Kappung mit Zwangsverkauf Anleger mehr stattfinden würde.
Mit dem Wegfall des Listings in Frankfurt entfiel die Grundvoraussetzung für die Aufnahme in den DAX, nämlich das Listing im Regulierten Markt der Frankfurter Börse. Und tatsächlich hat der Aktienkurs diesem Schritt recht gegeben: der Kurs steigt stetig an.
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Wie geht’s nun weiter mit SAP und dem DAX?
Zwar wurde die Kappungsgrenze im März 2024 auf 15 % angehoben, aber die hat SAP nun erreicht. Die Firma sagt selbst, sie wäre über die Kappung nicht glücklich und wäre bereits in Gesprächen mit der Deutschen Börse. Was könnten die Gespräche ergeben? Eine weitere Anhebung der Kappungsgrenze auf 20 % wäre wohl theoretisch möglich, aber danach endgültig auf 20 % beschränkt. Denn gemäß der Rechtslage müssen ETF eine Mindestdiversifikation aufweisen, sodass kein einzelner Bestandteil mehr als 20 % ausmacht.
Und was, wenn SAP wirklich austritt?
Alle ETF, die den DAX nachbilden, würden ihre Anteile an SAP in den nächsten Wochen komplett verkaufen müssen. Für die SAP würde ein Nachrücker in den DAX aufgenommen werden. Da aber der Nachrücker ein sehr viel kleineres Indexgewicht als SAP aufweist, wird der Anteil aller anderen Indexteilnehmer steigen. Deren Aktien würden in den nächsten Wochen also nachgekauft werden müssen, vielleicht also allein dadurch im Kurs steigen.
Die Leistung deutscher Aktien im internationalen Vergleich
Leider würde mit SAP erneut ein Unternehmen den größten deutschen Aktienindex verlassen, das in den letzten Jahren einen erheblichen Beitrag zu dessen Kursgewinn geleistet hat. Ohne dieses Unternehmen könnte sich der DAX daher in Zukunft schlechter entwickeln als bisher.
Daher gilt: stecke dein Investitionsbudget nicht allein in den deutschen Markt! Typischerweise werden amerikanische Aktien höher bewertet als deutsche, allein Apple ist mehr wert als alle DAX-Unternehmen zusammen. Der DAX hat sich in den letzten Jahren schlechter entwickelt als der S&P 500, sogar obwohl er die Dividendenausschüttungen in den Kurs reinmogelt. Du solltest also nicht einseitig in unseren Heimatmarkt investieren, sondern Dein Portfolio breit zusammenstellen! Aber das gilt ja immer.
Es gibt viel zu lernen, um erfolgreich an der Börse zu investieren. Aber das ist kein Hexenwerk, und nicht so kompliziert, wie man ein selbsternannter Experte dich glauben lässt. Bei mir bekommst du die Abkürzung an die Börse und hast auch noch Spaß dabei! In einer kleinen Gruppe aus gleichgesinnten Frauen meistert sich die Börse auch gleich viel besser.
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Hinweis auf potentielle Interessenkonflikte: Karina hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Aktien von SAP und Linde plc.