In diesem Beitrag habe ich all die Prozesse geschildert, nach Deinem Kaufwunsch für eine Aktie im Hintergrund ablaufen. Der Kaufauftrag läuft über Deine Bank, den Börsenplatz, den Market Maker zum Zentralverwahrer, bevor er abgeschlossen ist. All diese Beteiligte verlangsamen und verteuern den Prozess. Heute stelle ich Dir vor, wie sich der Handel durch die technologische Revolution an der Börse in Zukunft verändern wird.
Das Finanzsystem kann auch ohne seine Hauptakteure funktionieren
Anwendungen auf der Blockchain ermöglichen ein dezentrales Finanzsystem
Mit Bitcoin startete 2009 die erste Blockchain, und seit dem Start von Ethereum in 2014 beweisen uns zahllose Anwendungen auf der Blockchaintechnologie, dass das zentralisierte traditionelle Finanzsystem auch ganz anders funktionieren kann: ohne Banken, Zentralverwahrer und staatliche Eingriffsmöglichkeiten.
Kryptowährungen belohnen Zusammenarbeit
Jedes der unzähligen Kryptoprojekte verfolgt ein Ziel, nämlich die Lösung eines dezentralen Problems, zu dessen Lösung möglichst weltweit Menschen zusammenarbeiten müssen, die sich nicht kennen und vertrauen. Mit ökonomischen Anreizen und Konzepten aus der Spieltheorie werden die Menschen zur Zusammenarbeit motiviert und mit der Kryptowährung belohnt.
Kryptowährungen existieren nur als Transaktionshistorie
So ist Bitcoin digitales Geld ohne Banken und Ethereum eine weltumspannende digitale Finanzinfrastruktur ohne zentrale Steuerung. Bitcoin als digitale Geldmünzen und ether als Anteile an einem potentiellen Einhorn Finanz-Start-up existieren nur digital: Du bekommst keine Münze, keine Papieraktie, keinen Depotauszug, sondern nur eine Transaktionshistorie. Obwohl es sich um fungible Waren handelt, werden rein digitale, dezentrale Güter an eigenen Börsen gehandelt.
Kryptobörsen sind eine technologische Revolution an der Börse
Kryptobörsen erfüllen dieselbe Aufgabe wie traditionelle Wertpapierbörsen: Das Zusammentreffen von Käufer und Verkäufer zu organisieren, den Preis für ein Gut festzustellen und Marktliquidität zu sichern. Kryptobörsen gibt es entweder zentral organisiert, oder, dem Kryptogedanken treu bleibend, dezentral organisiert.
Die Zentralisierung von Kryptobörsen macht die technologische Revolution an der Börse nicht sichtbar
Zentrale Kryptobörsen (CEX) sind überraschungsfreie Zwillinge ihrer Börsenbrüder im traditionellen Finanzwesen. Du durchläufst bei der Anmeldung einen Identifikationsprozess, erstellst ein Verrechnungskonto für Deine Euro-Einzahlungen und bekommst ein Depot zur Aufbewahrung Deiner Kryptoassets. Im Hintergrund agieren institutionelle, zentrale Liquiditätsprovider und Market Maker sowie behördliche Aufseher. Als Nutzer einer CEX musst Du Dich nicht mit technologischen Besonderheiten von Blockchainanwendungen vertraut machen. Die CEX kapselt das alles für Dich ab und bietet Dir Dein gewohntes Nutzerinterface.
Aber eine dezentralisierte Kryptobörse ist etwas völlig anderes
Ganz anders eine DEX, eine dezentrale Kryptobörse! Verabschiede Dich von Kundenservice, Einfachheit in der Anwendung und Abstraktion der technologischen Grundlagen. Eine DEX schmeißt alle zentralen Mittelsmänner raus, die bisher an Börsenplätzen verdient haben: Liquiditätsbereitsteller, Market Maker, Zentralverwahrer und Behörden.
Die technologische Revolution an der Börse benötigt Dich!
Dezentralität lebt vom Mitmachen!
Die Dezentralität einer DEX ermöglicht Finanztransaktionen, die nicht von Banken, Brokern oder anderen Vermittlern durchgeführt werden. An deren Stelle treten automatisch ausführende Verträge auf der Blockchain, sogenannte Smart Contracts, eigenverantwortlich verwahrte Kryptogeldbörsen und Du!
Stelle Deine Liquidität für die Börse bereit
Denn auf einer DEX kannst Du nicht nur Kryptowährungen handeln, sondern selbst zum Marktakteur werden. Dezentralität lebt vom Mitmachen! Auf einer Börse müssen jederzeit alle Handelspaare in ausreichender Menge vorhanden sein. (Handelspaare sind zum Beispiel der Tausch von bitcoin in ether oder von ether in eine andere Kryptowährung.) Liquidität bedeutet, immer alle Kaufs- und Verkaufswünsche bedienen und Preise konstant halten zu können, indem von jeder der Kryptowährungen ausreichend Menge bereitsteht.
Die technologische Revolution an der Börse besteht darin, dass Du der DEX Deine Kryptowährungen bereitstellen kannst. Damit erhöht sich die Liquidität der DEX, sie wird gesünder und Du kannst als Marktakteur profitieren.
An einer DEX erhältst Du anteilige Gewinne aus Deiner Liquidität
Wenn Du Deine Kryptowährungen auf einer DEX in einem sogenannten Liquiditätspool bereitstellst, erhältst Du im Gegenzug spezielle Token, die Dir das Recht auf Rückzahlung und auf anteilige Gewinne aus dem Betrieb des Liquiditätspools verbriefen. Denn Nutzer, die auf der DEX handeln, profitieren von deren (Deiner!) Liquidität und bezahlen dafür Gebühren, die natürlich anteilig an Dich fließen.
Dezentrale Kryptobörsen sind also Kryptoprojekte, die Menschen zum gemeinsamen Betrieb einer Börse motivieren, indem sie die Gewinne aus dem Börsenhandel unter ihnen aufteilen. Ein weiteres Beispiel, wie Kryptowährungen Menschen zur Zusammenarbeit an dezentralen, weltweit verteilten Aufgaben bewegen. Die technologische Revolution an der Börse beruht also auch auf Dir!
Wird es dezentrale Wertpapierbörsen als eine weitere technologische Revolution an der Börse geben?
Warum aber sind die Konzepte von zentralen Wertpapierbörsen und dezentralen Kryptobörsen so stark getrennt? Werden die Konzepte jemals zusammenfließen? Werde ich Aktien in Liquiditätspools an dezentralen Börsen bereitstellen können, um zusätzlich zur Dividende auch Liquidity Gebühren einnehmen zu können, während ich die Aktie halte?
Aktien finden ihren Weg auf die Blockchain
Aktien, wie auch Anleihen, Immobilien und Luxusuhren, sind schon auf dem Weg, tokenisiert zu werden, also als Abbildung auf der Blockchain zu existieren. Entweder als native tokenisierte Aktie, die das Recht auf einen Firmenanteil mit einem Kryptotoken verbrieft oder als tokenisierte Aktie mit realer Hinterlegung, ähnlich wie echte Goldbarren im Xetra-Gold ETC hinterlegt sind.
Token sind (noch) nicht Aktien
Aber Token sind (noch) nicht gesetzlich reguliert. Als Tokenhalter habe ich im Gegensatz zum Aktionär keine durchsetzbaren Rechte. Auf mein Stimmrecht während der Hauptversammlung und auf Dividendenzahlungen habe ich als Tokeninhaber kein gesetzliches Recht, als Aktionär schon. Daher müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden.
Die technologische Revolution an der Börse ist in vollem Gang
In der EU gibt es das DLT (Distributed Ledger Technology – Blockchain u.ä.) Pilot Regime, dessen Ziel die Förderung einer DLT-basierten Marktinfrastruktur ist. Für diese tokenisierten Assets ist für den Handel keine Einbuchung beim Zentralverwahrer mehr nötig. Auch ein Kryptowertpapierregister, wie es das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) in Deutschland kennt, ist nicht mehr erforderlich.
In der Schweiz wurde bereits 2021 ein Gesetz erlassen, wonach Aktien als native Blockchain-basierte Token ausgegeben werden dürfen und die Tokeninhaber die gleichen einklagbaren Rechte wie Aktionäre bekommen.
In Deutschland machen sich erste Start-ups auf den Weg, tokenisierte Aktien mit realer Hinterlegung auf dezentralen Handelsplätzen anzubieten.
Die technologische Revolution an der Börse hat also bereits begonnen. Wieder einmal ist die Finanzindustrie ein Vorreiter für die Anwendung neuer Technologien. Andere Anwendungsfälle abseits des Geldes werden folgen. Ich bin gespannt welche das sein werden.
Dieser Beitrag war Teil meiner Abschlussarbeit für meine Weiterbildung Defi Talents über den dezentralen Finanzbereich an der Frankfurt School of Finance & Management.