Anleihen versprechen Rendite bei gleichzeitiger Sicherheit. Noch viel attraktiver erscheinen sie für manchen Anleger, wenn sie zusätzlich auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz versprechen. So wie das bei sogenannten grünen Bundeswertpapieren der Fall ist, die Deutschland seit 2020 herausgibt. Ich mache mir in diesem Beitrag ein Bild, ob grüne Anleihen das Versprechen halten, den Klimaschutz mit sicheren Wertpapieren zu finanzieren.

Darum geht es in diesem Beitrag:
Meine Erwartungen an eine grüne Anleihe
Wenn ich eine Anleihe von der Bundesrepublik Deutschland kaufe, leihe ich dem Staat Geld zur Finanzierung seiner Vorhaben. Im Gegenzug erhalte ich dafür regelmäßige Zinszahlungen und am Ende der Laufzeit mein gesamtes eingezahltes Geld zurück. So funktioniert eine traditionelle Anleihe.
Beim Kauf einer ausgewiesenen grünen Anleihe erwarte ich natürlich, dass der Staat das eingesammelte Geld in Klima-, Umwelt- und Naturschutz investiert. Ganz selbstverständlich gehe ich davon aus, dass die Nachhaltigkeits-Projekte erst nach der Emission der Anleihe starten, denn schließlich ist das Geld vorher noch nicht im Staatshaushalt vorhanden. Umso erstaunter war ich, dass die grüne Anleihe der Bundesrepublik Deutschland genau so eben nicht funktioniert.
Wie grüne Anleihen theoretisch funktionieren…
Grüne Staatsanleihen haben einen konventionellen Zwilling
Grüne Anleihen werden von Deutschland seit 2020 ausgegeben, immer mit einer konventionellen Staatsanleihe als Zwilling. Zu einer traditionellen Staatsanleihe wird wenig später eine grüne Staatsanleihe herausgegeben, die den gleichen Zins (Kupon) zu den selben Terminen zahlt, zum selben Datum zurückgezahlt wird (Fälligkeit), aber eine eigene Wertpapierkennnummer hat und mit weniger Volumen herausgegeben wird. Die grüne Anleihe kann jederzeit in ihren konventionellen Zwilling umgetauscht werden, sodass Investoren eine unproblematische Handelbarkeit voraussetzen können.
Sind Investoren bereit, für nachhaltige Geldanlage einen Aufpreis zu zahlen?
Das Zwillingsprinzip schafft eine interessante Transparenz: nämlich ob Investoren bereit sind, für grüne Anlagen mehr zu bezahlen als für traditionelle Anlagen. Denn durch die getrennten Wertpapierkennnummern lassen sich die am Markt entstehenden Kurse der beiden Zwillinge vergleichen. Falls sich eine Differenz der Kurse einstellt, sind Investoren offensichtlich bereit, einen Aufpreis für grüne Anlageformen zu zahlen. Dieser Aufpreis wird Greenium genannt.
… und welchen praktischen Einfluss sie wirklich haben
Wie deutsche Staatsanleihen zu grünen Anleihen werden
Zusätzlich zu den üblichen Pflichten des Emittenten über die Zahlung von Zins und Tilgung gibt der deutsche Staat für die grünen Anleihen einen Bericht heraus, der Auskunft über die Allokation und Wirkung der eingesetzten Finanzmittel gibt. Überraschend war für mich, dass die Zuweisung der Projekte, die durch die grünen Anleihen finanziert werden, nachträglich geschieht. Tatsächlich wählt eine Arbeitsgruppe aus allen Ministerien zusammen mit externen Beratern die Vorhaben nachträglich aus, die der grünen Anleihe zugeordnet werden können.
Welchen Einfluss grüne Anleihen wirklich haben
Minderung von Treibhausgasemissionen, Dekarbonisierung des Mobilitätssektors, Förderung der biologischen Vielfalt, Küsten- und Hochwasserschutz sowie die Erneuerung von Gleisen, Weichen, Brücken sind genau die Vorhaben, die ich in einer grünen Anleihe erwarte. Die nachträgliche Refinanzierung über die grüne Anleihe vermittelt mir aber den Eindruck des Greenwashings.
Denn offensichtlich wurden die Vorhaben bereits finanziert, egal ob nachher eine grüne Anleihe aufgelegt wird oder nicht. Wenn es die grüne Anleihe nicht gäbe, wäre vermutlich das Volumen der konventionellen Anleihe höher ausgefallen, um diese Projekte trotzdem zu finanzieren. Der Anteil der grünen Anleihen an allen herausgegebenen deutschen Staatsanleihen beträgt auch nur 2 %.
Eine echte Förderung von nachhaltigen und klimaschonenden Projekten erreiche ich durch den Kauf der grünen Anleihe nicht.

Über Anleihen, aber vielmehr noch über Aktien und ETF, schreibe ich jeden Sonntag in meinem Newsletter. In nur 5 Minuten wirst du börsenschlau!
Grüne Anleihen in deiner Anlagepraxis
Hier findest du grüne Anleihen zum Kaufen
Falls du trotzdem am Kauf grüner Bundesanleihen interessiert bist, findest du hier eine Übersicht über alle umlaufenden, also an der Börse handelbaren, grünen deutschen Staatsanleihen. Wenn du die Papiere direkt bei ihrer Emission kaufen willst, findest du die künftigen Emissionstermine hier.
Übrigens gibt es grüne Anleihen nicht nur von der Bundesrepublik Deutschland. Auch die einzelnen Bundesländer, andere Staaten, die EU und manch ein Unternehmen geben grüne Anleihen aus.
Und was ist nun mit der Rendite? Gibt es ein Greenium?
Mit dem Konzept der Zwillings-Anleihe soll identifiziert werden, ob Investoren bereit sind, einen Aufschlag für den Klimaschutz zu zahlen. Ich habe mir also die Kurse ausgewählter grüner Anleihen angeschaut und folgendes gefunden (Stand 02.02.2025):
- Die Anleihezwillinge mit Endfälligkeit 2053 notieren im Kurs derzeit mit 82,04 % (traditionelle A.) vs. 82,19 % (grüne A.), das ergibt eine Rendite von 2,71 % (traditionelle A.) vs. 2,70 % (grüne A.)
- Die Anleihezwillinge mit Endfälligkeit 2033 notieren im Kurs derzeit mit 99,67 % (traditionelle A.) vs. 99,59 % (grüne A.), das ergibt eine Rendite von 2,34 % (traditionelle A.) vs. 2,35 % (grüne A.)
Die Unterschiede sind also marginal, einmal zugunsten der grünen, einmal zugunsten der traditionellen Anleihe. Ein Greenium ist nicht feststellbar.
Leider hat sich mein Trilemma der nachhaltigen Geldanlage auch hier wieder bewahrheitet. Wenn deine Geldanlage wirklich einen Einfluss haben soll, dann darfst du dich keinen Illusionen hingeben, sondern musst sehr genau recherchieren.