Sell in May and go away. Sollte es so einfach sein?

Sell in May and go away but remember to come back in September ist eine alte Börsenweisheit. Wie ist sie entstanden und welche Relevanz hat sie heute noch? Was sagt die Statistik?
Sell in May and go away

Es ist herrlich! Nach den ersten sonnigen und warmen Tagen in diesem Jahr stellt sich endlich ein Sommergefühl bei mir ein. Während ich wie jedes Jahr, noch frierend, die ersten ungelenken Bahnen gleich am Eröffnungstag durch mein Freibad zog und über meine Geldanlage nachdachte, kam mir eine alte Börsenweisheit in den Sinn: Sell in May and go away.

Was bedeutet die alte Börsenregel, was ist an ihr dran? Wurde sie statistisch bestätigt und ist sie weiterhin von Bedeutung? Sollte Überrendite wirklich so einfach zu erreichen sein?

Die Entstehung der Börsenweisheit Sell in May and go away

Börsenweisheiten gibt es viele. Die meisten von ihnen wurden von bekannten Börsenlegenden schon vor Jahren ausgesprochen und verwenden bildhafte Sprache oder Reime. Sell in May and go away ist eine von ihnen. Angeblich im Jahre 1935 zum ersten Mal in einem Artikel der New York Times schriftlich festgehalten, wurde sie bis dahin schon lange mündlich überliefert.

Was steckt hinter der Börsenlegende?

Hinter Sell in May and go away steckt der Glaube, dass die Marktteilnehmer nach der Berichts- und Dividendensaison im Mai ihr Geld aus den Kapitalmärkten abziehen würden, um entweder ihren Urlaub zu finanzieren oder ihr Kapital vor Schwankungen zu schützen. Denn in den früheren Zeiten konnten die Geldmanager die Kurse nicht im Internet vom Strandkorb aus prüfen, und sie konnten nicht in Echtzeit beim Wandern auf Kursänderungen reagieren, wie wir das heute mit dem Smartphone tun.

Börse ist nur Psychologie

Außerdem reagieren Börsenkurse auf Gerüchte, auf Nachrichten, auf Psychologie und auf das Verhalten von Menschenmassen. Nichts davon findet ohne das Zusammenkommen von Menschen statt. Der Börsenzirkus stoppt, wenn die Firmenlenker, die Fondsmanager und die Finanzjournalisten im Urlaub weilen.

Es gibt einen zweiten Teil der Börsenregel Sell in May

Sell in May and go away… lässt Dich ratlos über das weitere Vorgehen zurück, denn was passiert danach? Die Antwort steckt im zweiten, seltener genannten Teil der Börsenregel: …but remember to come back in September.

Die Zuversicht kehrt im September zurück

Im September kehrt der Börsenzirkus zurück auf das Parkett und die Börsenpsychologie nimmt wieder Fahrt auf. Die Anzahl der Marktteilnehmer und das Handelsvolumen steigen an. Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür, das in einigen Branchen traditionell für gute Umsätze sorgt. Häufig finden auch politische Wahlen im Herbst statt, die die Zuversicht steigern, dass im neuen Jahr alles besser wird. All dies waren Gründe für steigende Kurse ab September.

Sell in May and go away in der Umsetzung

In der Umsetzung sagt die Börsenweisheit, Du solltest Deine Wertpapiere nach der Berichts- und Dividendensaison im Mai verkaufen und das Geld in cash auf dem Konto halten. Ich würde die Möglichkeit ergänzen, das freiwerdende Kapital in kurzlaufende Anleihen, auf das Tagesgeldkonto oder in Geldmarktfonds zu investieren. Hauptsache, es steht Dir ab Mitte September wieder zur Verfügung, sodass Du bei anziehenden Kursen und steigender Marktaktivität wieder in den Kapitalmarkt investieren kannst.

Es ist vollkommen egal, ob Du in dieselben Wertpapiere wie bis Mai investierst oder neue Anlagen auswählst, da die Börsenregel von steigenden Kursen im breiten Markt ausgeht.

Die Statistik zu Sell in May and go away

Es finden sich etliche Statistiken über den deutschen und den amerikanischen Kapitalmarkt zu dieser Börsenregel. Die meisten zeigen nur eine minimale Überperformance einer Anlagestrategie, die sich an die alte Börsenregel hält. Aber bedenke, dass diese Überperformance leicht von den Transaktionskosten bei Verkauf und Kauf aufgefressen werden kann.

Die Statistik für Sell in May beim DAX

Der deutsche Aktienindex DAX hat in den vergangenen Jahren meist eine positive Rendite gebracht. Außer in den Jahren der Finanz- oder Coronakrise hat er meist um die sechs bis acht Prozent Rendite gebracht, in manchen Jahren auch deutlich mehr. Diese Renditen hat der DAX aber nur in wenigen Monaten erwirtschaftet. Seit 1959 weisen die Monate Mai, Juni und August leichte negative Renditen auf.

Die Statistik zu but remember to come back in September

Noch schlimmer als Mai, Juni und August steht es um den September: der September weist mit -1,8 % im Schnitt sogar deutliche Rückgänge auf. Sogar der Aktienindex NASDAQ100, der die 100 größten US-amerikanischen Technologietitel enthält, weist im Durchschnitt der letzten knapp 40 Jahre im September ein Minus auf. Die Statistik zeigt also, dass du nicht gleich zu Anfang des Septembers zurück an die Börse gehen solltest, sondern erst auf steigende Kurse ab Mitte September warten solltest.

Die Statistik eines speziellen Saison-Index

Ich habe einen Index gefunden, der den DAX und die Börsenregel zum Teil nachbildet: der DAXPLUS SEASONAL STRATEGY setzt die Kursberechnung zwischen Ende Juli und Ende September aus. Er hat in den letzten 5 Jahren 69 % Performance gezeigt, was den DAX bei knapp 48 % über 5 Jahre schlägt. In manchen Jahren konnte die Aussetzung in August und September die Kursverluste im DAX abmildern.

Auf diesen Index gibt es zwar (noch) keinen ETF, aber ein Open-End Index-Zertifikat der Hypovereinsbank (HV1DB6). Aber Vorsicht! Solch ein Zertifikat ist ein Finanzprodukt, das nicht die selben gesetzlichen Vorteile hat wie ein ETF und außerdem auch keine Dividenden zahlt. Lies die Konzepte von Aktienindex und ETF gern nochmal nach.

Mein Fazit zur Börsenweisheit Sell in May

In einem sind sich alle Finanzanalysten und Finanzjournalisten einig. Einer Tradition folgend, die vielleicht schon so alt ist wie die Börsenweisheit selbst, behaupten sie unisono: Dieses Jahr wird natürlich alles anders. Ob das tatsächlich so sein wird, zeigt sich erst zum Jahresende. Bis dahin bleibt es bei einer viel universelleren Börsenregel: das absolute Kurstief zum Kauf und absolute Kurshoch zum Verkauf eines Wertpapiers wirst Du nicht finden. Die Dauer im Markt schlägt langfristig das Timing. Insofern ist es wichtiger, dass du überhaupt investiert bist.

Ich habe mir vorgenommen, jetzt tatsächlich erst einige Wochen abzuwarten, bevor ich neu investiere. Wäre doch ärgerlich, wenn ich im Mai ein Wertpapier kaufe, dessen Kurs gleich danach sinkt, weil die Sell in May-Regel dieses Jahr doch zutreffen sollte. Damit aber mein Geld währenddessen nicht faul im Strandkorb liegt, werde ich mir zumindest die Zinsen auf dem Tagesgeldkonto sichern.


Meine ganz persönliche Anlageregel lautet: traue nur Dir selbst! In diesem Sinne war das genannte Zertifikat natürlich keine Anlageempfehlung.


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