An der Börse gibt es gute Rendite nur im Tausch gegen Risiko. Das Risiko besteht in Kursausschlägen nach unten, die Rendite gibt es bei Kursausschlägen nach oben. Beides geschieht an jedem einzelnen Tag. Du glaubst, bei diesen guten Aussichten rational entscheiden zu können, ob Du eine Aktie verkaufen solltest? Aber Verluste verursachen in Deinem Steinzeitgehirn doppelt so starke Gefühle wie Gewinne.
Was Dir dagegen hilft? Ein kühler Kopf. Den behältst Du mit einer Strategie, die Du Dir möglichst bereits bei Kauf Deines Wertpapiers überlegt hast. In diesem Beitrag stelle ich Dir einige Strategien vor, die Du anwenden könntest.
Muss ich denn überhaupt meine Aktie verkaufen?
Warum stellt sich die Frage denn überhaupt? Kannst Du Deine einmal erworbenen Wertpapiere nicht einfach liegen lassen und auf das Kapital erst in vielen Jahren wieder zugreifen?
Mit ETF investierst Du passiv – verkaufen nicht nötig
Ja klar, das ist eine Möglichkeit, für die vor allem das Investieren in ETF bestens geeignet ist. Denn mit ETF investierst Du breit gestreut in den Markt, die darin enthaltenen Wertpapiere werden basierend auf den Regeln des zugrundeliegenden Index regelmäßig überprüft und ausgetauscht, sodass Du easy vom Marktwachstum profitierst. Du musst nichts tun, außer Geduld zu haben und dem Markt zu vertrauen. Diese Strategie heißt passives Investieren.
Einzeltitel erfordern höheren Aufwand von Dir – bleib dran
Anders sieht es beim Investieren in einzelne Aktien aus. Das gilt für Anleihen, Rohstoffe oder Kryptowährungen ebenso. Diese Einzeltitel enthalten größere Risiken. Du solltest regelmäßig prüfen, ob die Einzeltitel Deine Erwartungen erfüllen, ob sich das Marktumfeld geändert hat, die Marke weiterhin einen guten Ruf hat, oder das Management wechselt. In Einzeltitel musst Du mehr Aufwand investieren, was sich hoffentlich durch eine höhere Rendite auszahlen wird. Diese Strategie heißt aktives Investieren.
Beim Day Trading geht’s um die kurzfristigen Gewinne
Trader oder Day Trader treiben das aktive Investieren noch weiter. Sie spekulieren auf schnelle Gewinne. Day Trader nutzen die täglichen Schwankungen der Börsenkurse aus, die durch aktuelle Nachrichten, Veränderungen der Marktlage und die Psychologie der Marktteilnehmer ausgelöst werden. Ihnen reichen kleine Kursänderungen, denn morgen steckt ihr Geld schon wieder im nächsten Investment.
Die wichtigsten Regeln, wann Du eine Aktie verkaufen solltest
Verliere niemals Geld, und vergiss das nicht!
Bei der Frage, ob Du eine Aktie verkaufen solltest, halte Dich zuallererst an Warren Buffets wichtigste Börsenregeln:
Verliere niemals Geld.
Warren Buffets Börsenregel Nummer 1
Vergiss Regel 1 nicht.
Warren Buffets Börsenregel Nummer 2
Weder Du noch Warren Buffet können den künftigen Aktienkurs vorhersehen, und auch die frühere Kursentwicklung lässt keinen Hinweis auf künftige Kurse zu. Wie also kannst Du diese Regel umsetzen?
Verkaufen, wenn der Kaufkurs unterschritten wird
Nichts ist ärgerlicher als sinkende Kurse direkt nach Deinem Kauf. Denn mit Deinem Geld willst Du schließlich Rendite machen, und nicht dem Verlust zuschauen. Daher verkaufe die Aktie lieber schnell wieder, sollte sie nach dem Kauf Kursverluste von 10 % oder mehr haben. Natürlich hoffst Du, dass sich der Kurs schnell wieder erholt und nach oben schießt, aber genauso gut kann er weiter fallen. Es gibt andere Opportunitäten, in die Dein Geld besser investiert ist.
Lass Gewinner nicht zu Verlierern werden
Lass Gewinner nicht zu Verlierern werden! Auch das habe ich schon erlebt: erst ist die Aktie 50 % im Plus, und wenige Wochen später schon 50 % im Minus. Hätte ich doch… ! Sei nicht gierig, sagt mein Papa dann, Gewinne mitzunehmen hat noch niemanden arm gemacht. Sollte Dein Aktie also schnell nach oben schießen, dann nimm auch schnell die Gewinne aus dem Spiel.
Du musst nicht alles auf einmal verkaufen
Aber vielleicht steigt der Aktienkurs ja weiter!!! Stimmt, das kannst Du vorab natürlich nicht wissen. Um durch den Verkauf nicht die Chance auf künftige Wertsteigerungen zu verlieren, nutze doch die Möglichkeit zum Teilverkauf. Zum Beispiel kannst Du nur die Hälfte Deiner Aktien verkaufen, und die andere Hälfte im Spiel lassen. So sicherst Du wenigstens die Hälfte der Gewinne.
Nach Kursverdopplung die Hälfte verkaufen
Besonders attraktiv finde ich den Teilverkauf, sobald sich der Aktienkurs verdoppelt hat. Wenn Du dann die Hälfte Deiner Aktien verkaufst, hast Du Deinen Einsatz wieder rausgenommen, und nur die Gewinne laufen weiter. Mit dieser Strategie kannst Du das erstmalig eingesetzte Kapital nicht mehr verlieren, diese Position enthält nur noch Gewinne. Ein schöner Gedanke, aber so ein Verdoppler kommt leider nicht so häufig vor.
Steuerliche Gründe, Aktien zu verkaufen
Nutze Deinen Sparerpauschbetrag aus
Ein weiterer Grund zum Verkauf einer Aktie kann die Steueroptimierung sein. Gewinne aus Kapitalerträgen sind bis zu 1.000 / 2.000 Euro pro Jahr (ledig/verheiratet) steuerfrei, der sogenannte Sparerpauschbetrag. Du solltest diesen Freibetrag unbedingt ausnutzen, um Dir die Abgeltungssteuer i.H.v. 25 % und weitere Abgaben zu sparen. Sollte Dein Freibetrag gegen Ende des Jahres noch nicht ausgeschöpft sein, dann überlege Dir, manch einen Gewinn zu realisieren.
Optimiere Deine Verlustverrechnungstöpfe
Deine realisierten Verluste aus dem Wertpapierhandel werden steuerlich mit den Gewinnen verrechnet. Verluste aus einem früheren Aktienverkauf werden mit den realisierten Gewinnen aus einem späteren Aktienverkauf verrechnet. Diese sogenannten Verlusttöpfe bleiben über den Jahreswechsel hinaus bestehen, solange, bis sie aufgebraucht wurden. Aber der Sparerpauschbetrag wird erst nach den Verlustverrechnungstöpfen berücksichtigt, daher schöpfe beides lieber aus.
Bewerte das Geschäftsmodell und die aktuelle Nachrichtenlage
Industrie oder Plattformökonomie sind wichtige Entscheidungskriterien…
Aber manch eine Aktiengesellschaft solltest Du nicht verkaufen. Bewerte das Geschäftsmodell der Firma genau. Handelt es sich um ein traditionelles Industrieunternehmen mit hohen Kosten, viel gebundenem Kapital und geringen Margen? Dann realisiere gern mal Gewinne, denn das weitere Wachstumspotential der Firma ist begrenzt. Falls es aber ein Unternehmen aus der Plattformökonomie ist, mit geringen Kosten, einer starken Marke und hohen Margen, dann könnte noch deutlicher Wertzuwachs drinstecken.
… Politik und Makroökonomie sind es auch
Einige politische und makroökonomische Gründe sollten Dich noch dazu bewegen, über den Verkauf einer Aktie nachzudenken. Steht das Risiko eines Krieges unmittelbar bevor? Wird ein Produkt verboten? Beeinflussen steigende oder sinkende Leitzinsen das Geschäftsmodell einer Firma? Ändert sich das Konsumverhalten der Verbraucher, zum Beispiel durch einen Lockdown? Bewerte die aktuellen Nachrichten, ob sie Einfluss auf Deine Aktiengesellschaft haben. Aktienkurse bewegen sich nicht gegen solche Trends.
Übrigens musst Du nicht selbst vor dem Internet sitzen, um die aktuellen Aktienkurse zu verfolgen und auf bestimmte Grenzen zu reagieren. Die Computer Deines Brokers helfen Dir dabei. Indem Du Orderoptionen nutzt, wird Dein Verkaufsauftrag automatisch bei Erreichen bestimmter Kursniveaus ausgeführt.
Und auch bei der Steueroptimierung kannst Du Dir helfen lassen. Dein Broker hat vielleicht ein Tool zur Steuersimulation, wie zum Beispiel die comdirect. Dort kannst Du Deine Verkaufsidee erstmal durchspielen und die steuerlichen Auswirkungen bewerten.
Letztlich ist es allein Deine Entscheidung. Aber tröste Dich, wenn Du den optimalen Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst hast: die nächste Gelegenheit wird kommen.
[…] Halte negative Kurse aus. Solange Du Wertpapiere nicht verkaufst, hast Du keinen echten Verlust. Über den kühlen Kopf schreibe ich hier. […]